Robert Schumann op. 7

Toccata C-Dur für Klavier op. 7

Während seiner kurzen Heidelberger Studienzeit entwarf Schumann 1829/30 eine „Etude fantastique en double-sons“ genannte Komposition in D-Dur, die er ursprünglich als sein op. 6 veröffentlichen wollte. Um diese Zeit beschäftigte sich Schumann verstärkt mit klaviertechnischen Studien und plante zeitweise auch, eine Klavierschule zusammenzustellen. Nach Leipzig zurückgekehrt, entwickelte er im Juli 1832 ein Klavierstück in C-Dur, das er schließlich vor dem Weihnachtsfest 1833 vollendete und im Jahr darauf unter der Opusnummer 7 und mit dem Titel Toccata bei Hofmeister in Leipzig drucken ließ. Möglicherweise basiert die Toccata auf der in Heidelberg skizzierten „Etude“ (RSA, Anhang F 12) und/oder auch auf einer als op. 5 vorgesehenen „Exercice fantastique“ (RSA, Anhang F 11), die zwischen Januar und Juli 1832 in Leipzig entstand. Oder ist sogar mit einem dieser Stücke in weiten Teilen identisch. Da beide Werke als verschollen gelten, lässt es sich nicht mit Sicherheit sagen.

Der Widmungsträger des Werks, Ludwig Schuncke (1810¨C1834), war ein enger Freund Robert Schumanns und Mitbegründer der Neuen Zeitschrift für Musik. Schuncke litt an Schwindsucht und starb im Dezember 1834. Er war ein ausgezeichneter Pianist und Musiker. Die Toccata scheint ganz auf ihn zugeschnitten zu sein, zählt sie doch spieltechnisch zu den kompliziertesten und anspruchsvollsten Stücken der gesamten Klavierliteratur. Schumann selbst schreibt dazu: „ Wenn man Jemandem etwas dedicirt, so wünscht man, daß er‘s vorzugsweise spiele; aus vielen Gründen hatte ich ihm, vielleicht eines der schwierigsten Clavierstücke, eine Toccata, zugeeignet. Da mir kein Ton entging, den er anschlug, so hatte ich meinen leisen Ärger, daß er sich nicht darüber machte, und spielte sie ihm, vielleicht um ihn zum Studiren zu reizen, zu Zeiten aus meiner Stube in seine hinüber. Wie vorher blieb Alles mäuschenstill. Da, nach langer Zeit besuchte uns ein Fremder, Schunke zu hören. Wie aber staunte ich, als er jenem die Toccata in in ganzer Vollendung vorspielte und mir bekannte, daß er mich einigemal belauscht und sie sich im Stillen ohne Clavier herausstudiert, im Kopfe geübt habe.“ Die Uraufführung der Toccata op. 7 bestritt dann Clara Wieck am 11. September 1834 bei einem Konzert in Leipzig.

Diese Toccata beweist einmal mehr Schumanns bereits recht früh einsetzendes Streben nach der großen Form. Obwohl gerade Schumann sich zu einem Meister der in Konzeption und Charakter facettenreichen Klavierminiatur entwickelte, bemühte er sich doch stets um die tradierten Gattungen formal groß angelegter Werke, die er mit seinen eigenen, zukunftsweisenden Aspekten verknüpfen wollte. Im Falle der Toccata liegt formal ein Sonatensatz vor. Schumann knüpft hier weniger an barocke Traditionen der Musikstücke für Tasteninstrumente an, als viel mehr an die unter dem selben Namen bekannten brillanten Stücke aus dem 19. Jahrhundert. Im Gegensatz zu diesen entwickelt er dann allerdings ein höchst geistvolles „Virtuosenstück“, das in seiner musikalischen Substanz weit über die unter dieser Bezeichnung veröffentlichten zeitgenössischen Modekompositionen hinausgeht. Virtuose Passagen und Spielfiguren verbinden sich auf anspruchsvolle Weise mit den Merkmalen der Sonatensatzform, wobei die Vielfalt der Stilmittel beeindruckt.

Jene von Schumann geforderte neuartige Klaviertechnik, die vor allem einen nuancenreichen Anschlag voraussetzt, stellte die damalige Pianistenwelt durchaus vor ernsthafte Probleme. Die neu eröffneten musikalischen Perspektiven erregten allgemeine Be- und auch Verwunderung. So urteilte ein Kritiker nach der Leipziger Uraufführung: „Schumanns Toccata ist so schwer, daß es außer Schunke und Clara Wieck hier wohl niemand gut spielen kann. Beide spielen es verschieden. Ersterer trägt sie als Etüde vor mit höchster Meisterschaft, letztere weiß es zugleich poetisch aufzufassen und ihm durch und durch eine Seele einzuhauchen. Auch diesmal belebte sie es mit so zarten und tiefgefühlten Schattierungen, daß das originelle Tonstück, mit dem Konzert frappant abschloß, in seinem höchsten Glanz erschien.“

(Irmgard Knechtges-Obrecht)