Henriette Voigt geb. Kuntze (1808–1839)

Henriette Voigt (Lithographie, vgl. http://sammlungen.ub.uni-frankfurt.de/)

Henriette Voigt wurde am 24. November 1808 in Leipzig geboren. Sie erhielt ersten Klavierunterricht in Leipzig bei Karl Gottlieb Reißiger (1798–1859) und in den 1820ern bei Ludwig Berger (1777–1839) in Berlin. Dieser war auch Lehrer von Wilhelm Taubert und Felix Mendelssohn Bartholdy, mit denen sie in Berlin zusammen vierhändig musizierte. 1828 kehrte sie nach Leipzig zurück und heiratete 1830 den Kaufmann Carl Voigt (1805–1881), mit dem sie zwei Töchter hatte, Ottilie (1835–1887) und Anna (1839–1844). Für erstere übernahm Felix Mendelssohn Bartholdy die Patenschaft, bei der zweiten Tochter stand Robert Schumann Pate.

In Leipzig gab Henriette Voigt Klavierunterricht, den sie auch nach ihrer Heirat fortsetzte, und führte mit ihrem Ehemann einen Salon, in dem sich in Leipzig lebende wie durchreisende Künstler versammelten, darunter Mendelssohn, Ludwig Schuncke, Frédéric Chopin, Taubert, Louis Spohr, William Sterndale Bennett sowie Robert Schumann und Clara Wieck. Henriette Voigt, obwohl eine sehr gute Pianistin und Kammermusikpartnerin, trat nicht öffentlich auf, sondern nur in privaten Kreisen wie z.B. im Hause Wiecks oder Carus’ und in ihren eigenen musikalischen Gesellschaften. Ihr Repertoire umfasste vor allem Werke von Beethoven und Komponisten aus ihrem Bekanntenkreis wie Schumann, Wieck, Spor, Chopin oder Schuncke.

Über Schuncke entstand 1834 der Kontakt Robert Schumanns zu Henriette Voigt. Wie ihr Briefwechsel zeigt, entwickelte sich bald eine enge Vertrautheit zwischen beiden: In einem Brief vom 4. September 1834 nannte Schumann sie „Asdurseele“, und in seinem Davidsbund erhielt sie den Namen Eleonore bzw. Leonore, wohl eine Anspielung auf Beethovens Oper Fidelio – Leonore ist darin die Ehefrau von Florestan, bekanntermaßen ein Pseudonym Robert Schumanns. Henriette Voigt wiederum verehrte Schumann und war begeistert von seinen Klavierwerken, die sie in privaten Kreisen spielte. Schumanns Fantasiestücke op. 12 und Kinderszenen op. 15 inspirierten sie zu Gedichten. Im selben Jahr, an ihrem 15. Geburtstag, lernte auch Clara Wieck Henriette Voigt in Leipzig kennen, musizierte mit ihr zusammen und beschrieb sie in ihrem Tagebuch als „eine höchst gebildete, liebenswürdige Frau“ (Jugendtagebücher, S. 169). Beide trafen sich daraufhin öfter in Leipzig, wobei Clara Wieck auch ihr Klavierspiel lobend im Tagebuch erwähnte. 1835 lernte Robert Schumann durch Henriette Voigt Felix Mendelssohn Bartholdy kennen.

Clara Wieck widmete ihr die Soirées Musicales op. 6, auch als Dank für den Kauf eines Flügels bei Friedrich Wieck, wie dieser am 30. August 1836 im Tagebuch Claras vermerkte. Robert Schumann widmete Henriette Voigt 1839 seine Klaviersonate Nr. 2, g-Moll op. 22.

Am 15. Oktober 1839 starb Henriette Voigt, die 1834 ihren an Tuberkulose erkrankten Freund Ludwig Schuncke gepflegt hatte, in Leipzig ebenfalls an Tuberkulose. Robert Schumann schrieb in seiner „Erinnerung an eine Freundin“: „…sie spielte correct, zierlich, gern, doch nicht ohne Aengstlichkeit, wenn Mehre zuhörten. Den Grundsätzen ihrer Schule hing sie lange und mit Strenge an, so daß sie z. B. nur mit Mühe zum Gebrauche des belebenden Pedals zu bewegen war. Nie aber hörten wir jemals eine schlechte Komposition von ihr spielen; nie auch munterte sie Schlechtes auf…“ (Gesammelte Schriften, Bd. 3, S. 176).

Nach dem Tod Henriette Voigts entstand eine engere Verbindung Robert und Clara Schumanns zu Carl Voigt. Als Geschäftsmann unterstützte er Schumann u.a. in finanziellen Angelegenheiten seiner Zeitschrift, Clara Schumann blieb bis 1881 in freundschaftlichem Kontakt mit Carl Voigt.

Vgl. Hanna Bergmann und Mirjam Gerber: Artikel „Voigt, Henriette, geb. Kunze, Kuntze“, in: Europäische Instrumentalistinnen des 18. und 19. Jahrhunderts. 2007. Online-Lexikon des Sophie Drinker Instituts, hrsg. von Freia Hoffmann. Online unter: https://www.sophie-drinker-institut.de/voigt-henriette [4.9.2020].

Vgl. Clara Wieck, Jugendtagebücher 1827‒1840, hrsg. von Gerd Nauhaus und Nancy B. Reich unter Mitarbeit von Kristin R.M. Krahe, Hildesheim 2019.

Vgl. Mirjam Gerber: Artikel „Henriette Voigt“, in: Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. (Stand: 13.8.2007). Online unter: https://mugi.hfmt-hamburg.de/artikel/Henriette_Voigt.html [4.9.2020].

Vgl. Mirjam Gerber: Zwischen Salon und musikalischer Geselligkeit: Henriette Voigt, Livia Frege und Leipzigs bürgerliches Musikleben (= Studien und Materialien zur Musikwissenschaft 90), Hildesheim u.a. 2016.

Vgl. Schumann-Briefedition, Serie II, Bd. 15: Briefwechsel mit Freunden und Künstlerkollegen (Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig), hrsg. von Annegret Rosenmüller und Ekaterina Smyka, Köln 2016, S. 41–49.

Vgl. Wolfgang Seibold: Familie, Freunde, Zeitgenossen. Die Widmungsträger der Schumannschen Werke (= Schumann-Studien 5), Sinzig 2008, S. 309–312.

(Theresa Schlegel, 2020)